Per E-Mail an das
Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft
tvkkv-Begutachtung@bmwfw.gv.at
Der Entwurf wird zur Gänze abgelehnt.
Begründung:
Der Entwurf ignoriert alle Ergebnisse aus dem Entwicklungsprozess. Die vorgeschlagene Verordnung widerspricht diametral sämtlichen Ergebnissen der Stakeholder Workshops und der Diskussionen im Rahmen der Tierversuchskommission.
Fehlende Objektivierung, Einheitlichkeit und Transparenz. Das Tierversuchsgesetz fordert eine objektive Bewertung der Schaden-Nutzen Abwägung auf ethischer Grundlage. Aber eine Entscheidung auf Basis des vorgelegten Fragenkatalogs ist subjektiv, nach einer subjektiven Ethik der EntscheiderInnen in der Behörde. Ohne numerische Bewertungsgrundlage der Antworten auf die gestellten Fragen ist kein Abwägungsergebnis nachvollziehbar. Die konkrete Ausformulierung der numerischen Bewertung entspricht der ethischen Grundlage, sie muss auf Basis der gesamtgesellschaftlichen Tierethik erfolgen, die dem Tierschutzgedanken zugrunde liegt, der in der Bundesverfassung als Staatsziel angesprochen wird. Eine numerische Bewertung in brauchbarer Form wurde auch im Entwurf des Messerli-Instituts vorgelegt und würde eine brauchbare Grundlage für die Überarbeitung der Verordnung liefern.
Die juristischen Ausflüchte, wie sie in den Erläuterungen zum Verordnungsentwurf anklingen, sind nicht haltbar. Wie aus den Ausführungen von Univ.-Prof. Stefan Hammer von der Universität Wien im Rahmen einer Sitzung der Tierversuchskommission und aus seinen Ausführungen in der Beilage klar hervorgeht, ist es sehr wohl möglich, sowohl die Freiheit der Wissenschaft als auch die Gewerbefreiheit oder etwaige andere menschliche Grundrechte durch Tierschutz als einem sehr wichtigen öffentlichen Interesse einzuschränken. Daher stünde einem differenzierten Fragenkatalog mit strengen Auswahlkriterien, wie er im Juni 2014 vom Messerli Institut im Rahmen einer Sitzung der Tierversuchskommission vorgestellt wurde, nichts im Weg.
Der Fragenkatalog ist viel zu undifferenziert. In der Version des Messerli-Instituts vom Juni 2014 finden sich etwa 10 Mal so viele Fragen, die den Schaden und den Nutzen eines Tierversuchs viel besser erfassen.
Mangelnde Berücksichtigung einer möglichen Zielverfehlung und einer möglichen Schadensreduktion. Der vorliegende Kriterienkatalog unterscheidet nicht ausreichend zwischen dem angepeilten Nutzen und der Wahrscheinlichkeit, dass dieser Nutzen auch erreicht wird, und ebenso zwischen dem vermutlichen Schaden und verschiedenen Maßnahmen, die diesen Schaden reduzieren könnten.
Der vorliegende Kriterienkatalog geht über eine 3R-Optimierung nicht hinaus. Er ist also obsolet, weil die 3R-Optimierung einerseits sowieso gesetzlich vorgeschrieben ist und andererseits immer schon lediglich ein Feigenblatt der Tierversuchsindustrie war, ohne jede praktische Relevanz.
Regulatorische Tierversuche sind von der Abwägung ausgenommen. Der vorliegende Kriterienkatalog schließt die Schaden-Nutzen Analyse für regulatorische Tierversuche grundsätzlich aus und ist damit sowohl tierversuchsgesetz- als auch EU-richtlinienwidrig.
Der vorliegende Kriterienkatalog wird den Forderungen einer großen Mehrheit der Bevölkerung zu Tierversuchen nicht gerecht. Wie aus einer repräsentativen Umfrage von 2012 bekannt, wollen z.B. 70 % der Menschen ein absolutes Verbot von Tierversuchen an Primaten, Hunden und Katzen. Dem müsste in diesem Kriterienkatalog Rechnung getragen werden, indem der Schaden an diesen Tieren besonders hoch bewertet wird und nur von einem außergewöhnlich großen Nutzen aufgewogen werden kann. 85 % der Menschen wünschen ein Verbot von Tierversuchen mit geringem Nutzen, 91 % halten ein sehr strenges Tierversuchsgesetz für sehr oder ziemlich wichtig. Diesem Auftrag des Souveräns kommt dieser Kriterienkatalog in keiner Weise nach!
Keine Differenzierung bzgl. der Zwecke. Der vorliegende Kriterienkatalog differenziert im Nutzen nicht zwischen den zulässigen Zwecken. Ein Tierversuch, der ein effektives Medikament gegen AIDS entwickeln soll, wir als gleich nützlich angesehen, wie ein Tierversuch, der die landwirtschaftliche Produktion verbessern soll. Die Strategie dahinter ist offensichtlich: kein einziger Tierversuch soll abgelehnt werden, auch der unnötigste nicht.
Keine Einschränkung für Tierversuche. Allen Beteiligten in dieser Diskussion ist zu 100 % klar, dass der Kriterienkatalog, wie er hier im Verordnungsentwurf steht, niemals dazu führen wird, dass auch nur ein einziger Antrag zur Genehmigung eines Tierversuchs jemals abgelehnt wird, weil er mehr Schaden als Nutzen generiert. Der Kriterienkatalog in der vorliegenden Form ist nur eine Ausfüllübung für TierversuchsaspirantInnen, also eine verlorene Zeit. Das merkt man spätestens daran, dass er von jenen Personen, die Tierversuche durchführen wollen, über den Klee gelobt wird. Wäre er eine kritische Hürde, würde man von dieser Seite her Zeter und Mordio schreien. Österreich deklariert sich damit einmal mehr als Paradies für Tierversuche ohne jede Einschränkung:
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nur hierzulande gibt es keine vorgeschriebenen Genehmigungskommissionen, die über jeden Antrag abzustimmen haben,
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nur hierzulande können die TierexperimentatorInnen selbst über die „Ethik“ und „Notwendigkeit“ ihrer eigenen Tierversuche in selbsternannten „Ethikkommissionen“ beschließen,
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nur hierzulande gibt es keine einzige behördliche Verfolgung wegen Übertretung des Tierversuchsgesetzes und
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nur hierzulande gibt es nicht einmal Anzeigen wegen Übertretung des Tierversuchsgesetzes, weil man einerseits keine oder nur sehr kulante Kontrollen durchführt und andererseits die Tierversuche wie ein Staatsgeheimnis behandelt, um eine öffentliche Kontrolle zu verhindern.
Hochachtungsvoll,
Im Namen des Verbandes Österreichischer Tierschutzvereine – pro-tier.at
Ing. Harald Hofner, Präsident pro-tier.at
Beilage: Stellungnahme zum Kriterienkatalog von Univ. Prof. Stefan Hammer