Kriterien-Katalog für Tierversuche: Verband pro-tier fordert Rücknahme des Verordnungsentwurfs

von Brigid Weinzinger/Vorstandsmitglied pro-tier

Das neue Tierversuchsgesetz aus 2012 hält fest, dass in Zukunft für Tierversuche eine Schaden-Nutzen-Analyse zu erfolgen hat, die auf wissenschaftlichen Kriterien beruht und objektivierbar und nachvollziehbar ist. Diese Verpflichtung zur Schaden-Nutzen-Analyse beruht auf EU-rechtlichen Vorgaben und könnte – seriös umgesetzt – einen wesentlichen Fortschritt für den Schutz von Versuchstieren und die Vermeidung von Tierleid bringen.

Der Verband pro-tier begrüßte daher ausdrücklich die Einführung einer solchen Schaden-Nutzen-Analyse und brachte sich im Rahmen der Bundestierversuchskommission aktiv in die Diskussion um die dafür nötigen Kriterien ein. Denn eine Schaden-Nutzen-Analyse ist nur dann objektiv machbar, wenn fundierte Kriterien für die Bewertung des Nutzens bzw. des Schadens eines Tierversuchs vorliegen.

Was das Ministerium nun vorgelegt hat, verfehlt diese Anforderung um Meilen und ist weder wissenschaftlich fundiert, noch objektivierbar oder nachvollziehbar. Der vorgelegte Verordnungsentwurf kann nur als blamabel bezeichnet werden!

Konkret zu kritisieren sind vor allem folgende Punkte:

  • Der Verordnungsentwurf verunmöglicht eine seriöse Schaden-Nutzen-Analyse und erfüllt daher den gesetzlichen Auftrag nicht. Er umfasst bloß 10 allgemein gehaltene Fragen ohne Kriterien für ihre Beantwortung bzw. ohne Kriterien für die Bewertung der Antworten, eine Entscheidung über Nutzen oder Schaden ist auf diesem Wege Willkür und keine objektivierte Analyse.
  • Der Verordnungsentwurf entspricht nicht den Anforderungen der EU-Richtlinie. Er sieht im Unterschied zur Richtlinie vor, dass „regulatorische Tierversuche“ (also solche, die für die Marktzulassen bestimmter Produkte vorgeschrieben sind) von der Schaden-Nutzen-Analyse ausgenommen sind und versucht damit, selbst noch das unsinnigste Produkt und dafür im Tierversuch entstehendes Tierleid generell von einer Bewertung auszuklammern.
  • Der Verordnungsentwurf entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage und enthält keine seriösen Kriterien. Der Stand der Wissenschaft lässt heute wesentlich fundiertere Analysen zu und ermöglicht auch quantitativ messbare Bewertungen. Diese sind im Verordnungsentwurf des Ministeriums offenbar nicht erwünscht.

Besonders erschütternd ist dabei die Vorgangsweise des Ministeriums:
3 Jahre lang (!) arbeitete ein wissenschaftliches Team im Auftrag des Ministeriums an einem Kriterienkatalog für die Schaden-Nutzen-Analyse, zahllose ExptertInnen wurden einbezogen, 13 Workshops abgehalten, sechsstellige Beträge an Fördergeldern aufgewendet – nur, um letztlich sämtliche inhaltlichen Vorarbeiten zu mißachten und einen Verordnungsentwurf vorzulegen, der nur eines erreichen würde: dass es auch in Zukunft keinerlei ernsthafte Analyse des Schadens oder Nutzens eines Tierversuchs geben wird.

Der Verband pro-tier fordert daher die Rücknahme dieses Verordnungsentwurfs und die Vorlage eines neuen, auf den wissenschaftlichen Arbeiten beruhenden und mit messbaren Kriterien versehenen Entwurfs.