Strafrechtsreform §222 Tierquälerei
Wien, am 21.02.2015
An:
Justizminister Univ. Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter
Bundesministerium für Justiz
Museumstraße 7
A-1070 Wien
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minister.justiz@bmj.gv.at (medienstelle.ressort@justiz.gv.at)
Sehr geehrter Herr Justizminister!
Obwohl Tiere im Zivilrecht noch immer wie Sachen zu behandeln sind (§ 285a ABGB), gewinnt Tierschutz eine immer höhere gesellschaftliche Bedeutung: Durch das Leben mit Haustieren und durch der breiten Öffentlichkeit zugängliche mediale Berichte, Fernsehdokumentationen etc. über Verhalten sowie soziale Strukturen und Kompetenzen von Tieren ist zweifellos eine Sensibilisierung dergestalt eingetreten, dass das Bewusstsein in der Gesellschaft verankert wurde, dass Tiere gefühls- und empfindungsfähige Wesen sind. Sie empfinden – gleich wie Menschen – Freude, Lust, Leid und Schmerz. Daraus resultiert der ethische Auftrag an die Gesellschaft – und damit an die Legislative – Tiere in Bezug auf ihr Wohlbefinden und ihre Unversehrtheit im gleichen Maß zu schützen wie den Menschen. Nicht zuletzt deshalb wurde auch am 11. Juli 2013 Tierschutz als Staatszielbestimmung in die Verfassung gehoben (§ 2 B-VG).
Die strafrechtliche Ahndung von Tierquälerei im § 222 StGB konkurriert mit ihrer verwaltungsrechtlichen Bestrafung im § 5 TSchG. Aufgrund der „ultima-ratio-Funktion“ des gerichtlichen Strafrechts sollte die Strafbarkeitsbegründung nach § 222 StGB höher sein als im gleichlautenden Verwaltungsdelikt.
Dies spiegelt sich aber nur bedingt im Strafmaß bzw. in der Rechtssprechung wider:
Während eine Bestrafung nach § 5 TSchG zwingend eine Pönale bis zu EUR 7.500,– nach sich zieht, kommt es in den raren Fällen gerichtlicher Verurteilungen so gut wie nie zu unbedingten Haftstrafen, nur selten zu minimalen Geldstrafen oder Diversionen, aber oft zu geringen und bloß bedingten Haftstrafen. Die meisten Anzeigen wegen Tierquälerei werden überhaupt ohne Hauptverfahren eingestellt.
Dabei kommen ohnehin nur die schwersten Handlungen vorsätzlicher Tierquälerei überhaupt an die Strafgerichte: Prominente Fälle in jüngster Zeit waren das monatelange Einwachsenlassen von Ketten in dauerhaft angebundene Rinder (drei Monate bedingt), das Schlagen und Dekapitieren einer Katze (EUR 480,–) oder das Steinigen und Erdrosseln von Frischlingen in einem Jagdgatter (drei Monate bedingt). Derzeit ist es für die DelinquentInnen sogar von Vorteil, wenn die Tierquälerei eine Intensität erreicht, bei der § 222 StGB erfüllt ist!
Durch das außergewöhnlich niedrige Strafmaß müssen Anzeigen wegen strafrechtlicher Tierquälerei auch nur am Bezirksgericht verhandelt werden, wo BezirksanwältInnen ohne rechtswissenschaftliche Ausbildung eine Anklage vertreten sollen.
Die Signalwirkung der niedrigen Strafen ist fatal: Obwohl Tierquälerei anerkanntermaßen zur Verrohung beiträgt und spätere Verbrechen wahrscheinlicher macht, wird sie nach wie vor als „Kavaliersdelikt“ großzügig geduldet. Dem gewachsenen gesellschaftlichen Wert des Tierschutzes muss mit einer entsprechenden spezial- und generalpräventiven Strafwirkung Rechnung getragen werden: Je höher die Strafdrohung umso strenger werden Strafen in concreto bemessen, wodurch der vielfach verbreiteten und völlig unhaltbaren Meinung, Tierquälerei sei ein „Kavaliersdelikt“ wirksam entgegengetreten wird. In der Höhe der Strafdrohung spiegelt sich die Wertigkeit des Schutzobjektes; Oder anders gesagt: In der Höhe der Strafdrohung zeigt sich der Unwert, den die Gesellschaft einem bestimmten deliktischen Verhalten zuordnet.
Wesentliche Ermittlungsmaßnahmen, wie z.B. die Observation, verdeckte Ermittlung, optische Überwachung sowie effektive Fahndungsmaßnahmen bleiben Delikten mit einem Strafrahmen von nur einem Jahr verwehrt. In besonders grausamen Fällen darf auf diese Möglichkeiten nicht verzichtet werden!
Aus diesen Gründen möchte ich Sie im Namen vom Verband Österreichischer Tierschutzorganisationen – pro-tier bitten, die Forderungen der bereits parlamentarisch eingebrachten Bürgerinitiative „Mehr Rechte für Tiere“ zu unterstützen: Insbesondere die Erhöhung der Strafandrohung des § 222 StGB auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe sollte umgesetzt werden, nicht zuletzt um ein der Schwere des Delikts adäquates Verfahren am Landesgericht sicherzustellen.
Mit 26 Mitgliedsorganisationen vertritt der Verband Österreichischer Tierschutzorganisationen – pro-tier.at etwa 100.000 in Vereinen organisierte TierfreundInnen und AktivistInnen. Ich ersuche Sie, diese Stimmen bei der Verbesserung des § 222 StGB in der kommenden Strafrechtsreform 2015 zu berücksichtigen.
Hochachtungsvoll,
Harald Hofner,
Präsident des Verbands Österreichischer Tierschutzorganisationen – pro-tier.at