Stellungnahme des Verbandes pro-tier zur geplanten Novelle des Bundestierschutzgesetzes und der 1. Tierhaltungsverordnung

Wenig Verbesserungen, dafür problematische Verschlechterungen und nicht behobene Mängel

Das Bundestierschutzgesetz und die 1. Tierhaltungsverordnung befinden sich derzeit in Begutachtung. Bis einschließlich 3. Februar 2017 kann eine Stellungnahme dazu abgegeben werden. Der Verband pro-tier nimmt wie folgt Stellung:

Generelle Bemerkungen:

Die geplante Novellierung des Bundestierschutzgesetzes sowie der zugehörigen 1. THVO bringen in einigen Punkten begrüßenswerte Veränderungen oder Klarstellungen. Den wenigen Verbesserungen stehen jedoch wesentliche Verschlechterungen der geltenden Bestimmungen und eine lange Liste an weiterhin bestehenden groben Mängeln im Gesetz gegenüber.

Besonders ins Auge fallen dabei Punkte, die einen deutlichen Rückschritt hinter das geltende Bundestierschutzgesetz bringen und derzeit als Tierquälerei geltende oder gegen Tierschutzinteressen verstoßende Praktiken legalisieren, wie zum Beispiel

  • Abschaffung des Verbots der Ziegenenthornung

  • massive Aufweichung der Kastrationspflicht für Katzen durch schwammige Zucht-Definition

  • massive Aufweichung des Verbots von Qualzuchten durch die Streichung der Übergangsfrist

Dort, wo Verbesserungen angepeilt werden, bleiben sie im Ansatz stecken und damit unbefriedigend. Zu nennen sind dabei insbesondere die Eingriffe an Nutztieren, bei denen in Zukunft zwar Schmerzausschaltung und postoperative Schmerzbehandlung vorgesehen werden, jedoch

  • nicht für alle Nutztiere, sondern nur bei Schweinen, Rindern und Schafen

  • mit willkürlichen Altersgrenzen, die Tierquälerei an Tieren in den ersten Lebenstagen oder –wochen weiterhin zulässt

  • ohne zwingend vorgesehene, wirksame Betäubung während des Eingriffs in jedem Fall.

    Zahlreiche bestehende Mängel des Gesetzes bzw. der zugehörigen 1. THVO und unzureichende Regelungen werden leider nicht behoben, als Beispiele dafür seien genannt:

  • weiterhin kein explizites Verbot des Auswilderns von Fasanen, Rebhühnern, Enten und Hasen aus menschlicher Obhut

  • weiterhin kein Verbot der dauernden Anbindehaltung von Rindern

  • weiterhin kein Verbot von Vollspaltenböden

  • fehlendes Verbandsklagerecht

Kritikpunkte am Novellierungs-Entwurf zum Tierschutzgesetz im einzelnen:

§4 (9)

Die Unterscheidung von Tierheimen, Gnadenhöfen und Tierasylen ist in der Tendenz begrüßenswert, in der derzeitigen Fassung aber nicht brauchbar, da zur Tätigkeit aller drei genannten die Tiervermittlung genauso gehöre oder gehören kann wie die dauerhafte Verwahrung von Tieren. Eine entsprechende Präzisierung ist vorzunehmen oder aber der derzeit geltende Text beizubehalten. Lediglich die Unterscheidung 9a (Tierpensionen) im vorliegenden Entwurf ist sinnvoll.

§4 14. Zucht:

Zumindest Beibehaltung der bisher geltenden Formulierung oder noch präzisere Definition von Zucht, jedenfalls Abgehen vom Entwurf, da der vorgeschlagene Text es zuließe, dass jegliche Form von Tierhaltung schon als Zucht geltend gemacht werden kann, was einerseits einem kontrollierten Zugang zur Tierzucht entgegensteht und andererseits die weiterhin geltende Kastrationspflicht für Katzen mit Freigang unterwandert.

§5 (2)

Es ist eine neue Ziffer 18 zu ergänzen mit folgender Formulierung

Verbot des Auswilderns von Fasanen, Rebhühnern, Enten und Hasen aus menschlicher Obhut.“

Hierzu verweisen wir auf den einstimmigen Beschluss des Tierschutzrates vom März 2016, der dies dringend empfiehlt.

§5 (3)

Die weiterhin geltende Regelung, dass tierquälerische Korallenhalsbänder in der Ausbildung von Diensthunden zulässig sein sollen, ist zu kritisieren und Unterpunkt 4 ersatzlos zu streichen.

Zum neuen Unterpunkt 5 ist anzumerken, dass die Verwendung eines Hundes als Waffe und der „scharfe Einsatz“ gegen den Menschen nicht automatisch (wenn überhaupt) als tierschutzkonform eingestuft werden können. Unterpunkt 5 sollte daher gestrichen werden.

§6 Verbot der Tötung

Der Paragraph sollte um ein Verbot der Tötung männlicher Eintagsküken erweitert werden, da es Alternativen wie Zweinutzungsrassen oder das Früherkennen im Ei gibt.

§7 (3)

Der Punkt 2. „von einer sonstigen sachkundigen Person“ sollte gestrichen und eine Formulierung sichergestellt werden, die garantiert, dass die hier genannten Eingriffe ausschließlich von einem Tierarzt vorgenommen werden dürfen.

§ 16 (5)

Es fehlt eine Definition des Begriffs “kurzfristiges und vorübergehendes Anbinden” eines Hundes, die für einen Vollzug der Bestimmung aber erforderlich ist. Eine zeitliche Obergrenze sollte angegeben werden und 20 Minuten keinesfalls überschreiten.

§18a Fachstelle

Es sollte sichergestellt werden, dass die Fachstelle für die Bewertungen serienmäßiger Haltungssysteme, vorrangig von neuartig auf den Markt kommenden Systemen zuständig ist, nicht aber die Beurteilung von einzelnen Tierhaltungen. Letzteres ist Aufgabe der Kontrollorgane und Gegenstand der Einhaltung bestehender gesetzlicher Bestimmungen. Angesichts der geringen Ressourcen der Fachstelle macht eine Ausweitung des Aufgabengebietes keinen Sinn.

§29 (3)

Zu ergänzen ist im Entwurf, dass auch Gnadenhöfe und Tierasyle zur Führung eines Vormerkbuchs verpflichtet sind.

§31 (5)

Die Haltung von Hunden und Katzen in Zoofachgeschäften ist generell zu verbieten, der entsprechende Passus dahingehend abzuändern.

§44 (17)

Die ersatzlose Streichung der derzeit geltenden Frist bis 1.1.2018 ist nicht akzeptabel und kommt einer Freigabe der Qualzucht gleich. Es ist daher die geltende Fassung beizubehalten.

Überdies ist die Bestimmung über die „laufende Dokumentation“ so zu formulieren, dass klar eine bundesweit einheitliches und vom zuständigen Ministerium anerkanntes Zuchtprogramms vorliegen und den züchterischen Maßnahmen zugrunde liegen muss.

Kritikpunkte am Novellierungsentwurf zur 1. THVO im einzelnen

§2 (2a)

Eine Abweichung von festgelegten Mindestmaßen widerspricht den geltenden Regelungen und darf auch nicht mittels Begutachtung legalisiert warden. Der Passus ist daher gänzlich zu streichen.

§2a (2)

Der Punkt muss um die – parallel zum TschG in § 42 (2) definierte – Vertretung des Tierschutzes ergänzt werden.

Anlage 1: Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen (Equiden)

2.11. Eingriffe

Die Kennzeichnung durch Brand ist zu verbieten, da sie weder tierschutzkonform noch zeitgemäß ist. Da es sich um einen schmerzhaften Eingriff handelt, ist überdies im Falle einer Übergangsfrist bis zum Inkrafttreten des Verbots eine wirksame Betäubung und postoperative wirksame Schmerzausschaltung für den Eingriff zwingend vorzuschreiben.

Anlage 2 Mindestanforderungen für die Haltung von Rindern

2.2 Bewegungsfreiheit

Die dauernde Anbindehaltung ist in gleich mehreren Punkten im Widerspruch zu Bestimmungen des Tierschutzgesetzes und daher ausnahmslos zu untersagen.

2.8. Eingriffe

Bei Punkt 4 – dem Einziehen von Nasenringen bei Zuchtstieren – handelt es sich um einen schmerzhaften Eingriff, für den zwingend eine wirksame Betäubung und postoperative wirksame Schmerzbehandlung vorzusehen ist.

Anlage 3 Mindestanforderungen für die Haltung von Schafen

2.11. Eingriffe

Das Kupieren des Schwanzes ist ausnahmslos nur unter wirksamer Betäubung und postoperaitv wirksamer Schmerzbehandlung zulässig, die im Text vorgesehene 3-Tage-Regelung daher zu streichen.

Anlage 4 Mindestanforderungen für die Haltung von Ziegen

2.11. Eingriffe

Das Enthornen von Ziegen ist hochgradig tierschutzrelevant und daher ausnahmslos auch weiterhin zu verbieten. Eine 4-Wochen-Frist für eine Enthornung von Kitzen ohne Betäubung und postoperative Schmerzbehandlung entbehrt jeglicher fachlichen Grundlage und ist daher abzulehnen.

Anlage 5 Mindestanforderungen für die Haltung von Schweinen

2.1. Grundlegende Anforderungen an Schweineställe

Vollspaltenböden entsprechen nicht den Anforderungen an tierschutzkonforme Haltung und sind daher generell zu verbieten, sie stehen auch im Widerspruch zur EU-Richtlinie, die einen “physisch angenehmen Liegebereich” fordert.

Die Anforderungen sind daher so umzuformulieren, dass sie Mehrflächenbuchten mit planbefestigtem Boden und tiefer Stroheinstreu vorsehen.

2.7. Beschäftigungsmaterial

Es fehlen eine genauere Definition, was als “regelmäßig” und als “ausreichend” gelten kann.

2.10. Eingriffe

Punkt 1:

Die Verkleinerung der Eckzähne ist ausnahmslos nur unter wirksamer Betäubung und mit postoperativ wirksamer Schmerzbehandlung zulässig.

Punkt 4:

Die Kastration männlicher Schweine ist ausnahmslos nur unter wirksamer Betäubung und mit postoperative wirksamer Schmerzbehandlung zulässig.

3.3.2 Abferkelsysteme ab 01.01.2033

Die Ausnahmeregelung für Abferkelbuchten “bis zum Ende der kritischen Lebensphase” ist unspezifiert, fachlich unbegründet und daher ersatzlos zu streichen.

Anlage 6 Mindestanforderungen für die Haltung von Hausgeflügel

2.7. Eingriffe

Das Kürzen des Schnabels muss als schmerzhafter Eingriff gewertet und generell verboten werden. Es ist daher hier als zulässiger Eingriff zu streichen.

Das Kürzen des nach innen gerichteten Zehenendgliedes bei Eintagesküken, die als Zuchthähne vorgesehen sind, stellt einen schmerzhaften Eingriff dar und darf daher nur vom Tierarzt unter wirksamer Betäubung und mit postoperativer Schmerzbehandlung vorgenommen werden. Mit entsprechendem Management ließe sich der Eingriff ganz vermeiden.

3.1 Stalleinrichtungen

Eine Reduktion des Platzangebotes stellt eine deutliche Verschlechterung für die Tiere dar und ist daher abzulehnen.

5.1 Stalleinrichtungen

Eine Reduktion des Platzangebotes stellt auch hier eine deutliche Verschlechterung dar und ist daher abzulehnen. Begrüßenswert ist lediglidh die Konkretisierung in Bezug auf Wasser und erhöhte Flächen.

6. Besondere Haltungsvorschriften für Gänse und Enten

Ein Auslauf ist auch für Enten weiterhin zwingend vorzusehen.